Auftaktveranstaltung “Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW-Ukraine”

– Veranstaltungsbericht –

Der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hat zu einer Welle der Solidarität deutscher Kommunen mit ukrainischen Kommunen geführt. Die Zahl der deutsch-ukrainischen Kommunalpartnerschaften schnellte von etwa 70 vor Februar 2022 hoch auf über 120 kaum ein Jahr später, und weitere kommen fortlaufend dazu.

Auch in Nordrhein-Westfalen wurden Kommunen und Kreise umgehend aktiv: im Zuge der humanitären Unterstützung und der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter vervielfachte sich die Zahl der NRW-ukrainischen Partnerschaften und steht derzeit bei rund dreißig bereits beschlossenen oder in Gründung befindlichen Kommunal- und Kreispartnerschaften.

Seit dem 28. Februar 2023 engagiert sich das Land Nordrhein-Westfalen zudem im Rahmen einer Regionalpartnerschaft mit der ukrainischen Oblast Dnipropetrowsk, welche sich den Themen Wiederaufbau sowie Integration in die Europäische Union widmen und partnerschaftlich an gemeinsamen Zukunftsthemen arbeiten will. Dabei soll die Zusammenarbeit auf breite Füße gestellt und neben der Regierungskooperation auch insbesondere die kommunale Ebene sowie die Zivilgesellschaft miteinbezogen werden.

Daher stellt die Landesregierung für die wachsende Zahl NRW-ukrainischer Kommunal- und Kreispartnerschaften Unterstützungsangebote bereit.

Das „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW – Ukraine“ der Netzwerkstelle Städtepartnerschaften der Auslandsgesellschaft.de e.V. bietet NRW-Kommunen und -Kreisen mit ukrainischer Partnerschaft einen Rahmen für einen regelmäßigen Austausch. Das Projekt richtet sich dabei sowohl an Kommunen, die an der Begründung einer Partnerschaft mit einer Kommune in der Ukraine interessiert sind, als auch an diejenigen, die bereits mit einer ukrainischen Kommune durch eine Partnerschaft verbunden sind.

Die Auftaktveranstaltung am 29. März 2023 in der Auslandsgesellschaft in Dortmund erhielt großen Zuspruch von Vertreterinnen und Vertretern der nordrhein-westfälischen Kommunen und Kreise.

Begrüßung

Der Präsident der Auslandsgesellschaft.de e.V., Klaus Wegener, freute sich in seiner Begrüßung darüber, dass der Einladung so viele Städte und Kreise gefolgt waren.  Unter dem Dach der Auslandsgesellschaft hat die Solidarität mit der Ukraine bereits vielfach Ausdruck gefunden – so lernen seit dem vergangenen Jahr mehrere Hundert ukrainische Geflüchtete hier Deutsch, es gab und gibt Veranstaltungen für und mit Geflüchteten, Informationsveranstaltungen zum politischen Hintergrund und zur aktuellen Lage in der Ukraine, Publikationen wie etwa ein Serviceheft für Geflüchtete, Solidaritätskonzerte und derzeit die Ausstellung „Kyiv – unzerbrechliches Herz Europas“, zu welcher herzlich eingeladen wurde. Viele Synergiemöglichkeiten also für das neue „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW – Ukraine“.

„Städtepartnerschaften – kommunale Außenpolitik in schwierigen Zeiten“

Staatsminister a.D. Wolfram Kuschke, Kuratoriumsvorsitzender der Auslandsgesellschaft sowie ehrenamtlicher Leiter der Netzwerkstelle Städtepartnerschaften, erinnerte unter dem Motto  „Städtepartnerschaften – kommunale Außenpolitik in schwierigen Zeiten“ an das langjährige praktische Engagement der Auslandsgesellschaft in Städtepartnerschaften sowie auch ihre wissenschaftliche  Beschäftigung damit, welche letztlich zur Errichtung einer Netzwerkstelle Städtepartnerschaften als Anlaufstelle für die städtepartnerschaftlichen Akteure in Nordrhein-Westfalen geführt hatte. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen der vergangenen Jahre könne nun mit dem „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW – Ukraine“ die ganz konkrete Unterstützung der Kommunen und Kreise in NRW angeboten werden, derer sie in diesen herausfordernden Zeiten bedürfen.

Regionalpartnerschaft NRW-Dnipropetrowsk – Das Engagement des Landes NRW für die Ukraine

Winfried Mengelkamp, Gruppenleiter Internationale Angelegenheiten (IV B) in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, stellte die neue Regionalpartnerschaft mit der Oblast Dnipropetrowsk vor sowie das Engagement des Landes NRW für die Ukraine. So unterstützt NRW bereits seit Kriegsbeginn die Ukraine mit Hilfslieferungen. Die neue Regionalpartnerschaft mit der im Osten der Ukraine gelegenen Oblast Dnipropetrowsk hebt die Unterstützung nun seit Februar 2023 auf eine neue Stufe. Dnipropetrowsk ist einer der wichtigsten Industrie- und Wissenschaftsstandorte der Ukraine und damit ein hervorragender Partner für Nordrhein-Westfalen. Bei der Partnerschaft sind derzeit drei Phasen im Blick: zum einen die weitergehende Hilfe in der humanitären Notsituation, zum zweiten die Hilfe beim Wiederaufbau sowie bezüglich der EU-Beitrittsperspektive, und schließlich die Zusammenarbeit in der Zukunft bei einer Bandbreite gemeinsamer Themen, wie etwa Digitalisierung und erneuerbare Energien. Den Auftakt hat das Land NRW bereits am 23. März 2023 gemacht mit einer Wirtschaftskonferenz „Wiederaufbau der Ukraine“ im Düsseldorfer Landtag, mit zahlreichen Vertretern aus der Unternehmenswelt aber auch aus den Kommunen.

Kommunen und Kreise spielen beim Austausch mit der Ukraine eine herausragende Rolle. Bei ihnen liegt die Verantwortung für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung. Ob der ukrainischen Bevölkerung in ihren Städten und Gemeinden in der Ukraine ein Alltagsleben möglich ist, auch ob die Rückkehr von Geflüchteten möglich ist, das entscheidet sich an der Kapazität der ukrainischen Kommunen, diese Daseinsvorsorge sicherzustellen. Darum unterstützt das Land NRW die kommunalen und Kreispartnerschaften zwischen NRW und der Ukraine, sowohl in der Partnerregion Dnipropetrowsk als auch in den anderen Regionen in der Ukraine, u.a. mit dem „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW – Ukraine“, aber auch weiterhin mit zahlreichen Hilfsgütertransporten von Landesseite.

Vorstellung des Projekts „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW – Ukraine“   

Dr. Kai Pfundheller, Leiter des Instituts für Politische Bildung der Auslandsgesellschaft.de e.V. und der Netzwerkstelle Städtepartnerschaften, erläuterte den Hintergrund des Projekts und den in verschiedenen Online-Veranstaltungen über das vergangene Jahr festgestellten großen Bedarf der NRW-Kommunen an Informationen und einem kollegialen Austausch zu ihren ukrainischen Partnerschaften. (Siehe Veranstaltungsberichte hier und hier sowie ein Sondernewsletter.)

Er betonte die herausragende Rolle der deutschen Kommunen als deutscher „Exportschlager“ weltweit; Kommunen sind Experten der Daseinsvorsorge, Keimzelle der Demokratie und Treffpunkt von Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Insbesondere die bedeutende Stellung der Kommunen in Deutschland macht sie zu begehrten Ansprechpartnern weltweit, wenn es um die Stärkung von Demokratie, den Aufbau von starken Institutionen und die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements geht. Ebenso wie die Regionalpartnerschaft NRW-Dnipropetrowsk liegen die unmittelbaren Bedarfe der ukrainischen Partner auf kommunaler Ebene derzeit bei der humanitären Hilfe, mittelfristig wird jedoch der Wiederaufbau und die EU-Partnerschaft und langfristig eine Partnerschaft auf Augenhöhe die Perspektive sein. Pfundheller erläuterte Unterstützungsmöglichkeiten des „Reallabors“ für Kommunen und Kreise und stellte die verschiedenen Arbeitspakete dar. –> Präsentation

Vorstellung der kommunalen Partnerschaftsprojekte mit der Ukraine & Austausch zu Erwartungen & Fokusthemen

Im folgenden Austausch berichteten die Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen und Kreisen von ihren jeweiligen Projekten, den geplanten thematischen Schwerpunkten, ihren Erwartungen und Unterstützungsbedarfen.

Unterstützung bei der Partnersuche für Kommunen und Kreise, die eine ukrainische Partnerschaft anstreben

Für die Kommunen und Kreise, die derzeit noch nach geeigneten Partnern in der Ukraine suchen, konnten die anwesenden Vertreterinnen des Deutschen Städtetags / der Deutschen Sektion des RGRE sowie auch der Servicestelle Kommunen der Einen Welt von Engagement Global u.a. auf bestehende Vernetzungsangebote auf der Website ihrer jeweiligen Institution verweisen. 

Insbesondere für die nordrhein-westfälischen Kreise, welche zum Großteil noch am Anfang ihrer Partnersuche stehen, kann der Austausch über die SKEW mit erfahreneren Kreisen mit Ukraine-Partnerschaft lohnen sein.

Mehrfach wurde betont, wie wichtig ein „Steckbrief“ sei, in dem Kommune oder Kreis klar benennen, welche Kriterien bei der Suche nach einer Partnerschaft für sie eine Rolle spielen. Dies erfordert vorab einen internen Austausch über die langfristigen Wünsche, die mit der Partnerschaft verbunden sind – und ist insbesondere im Hinblick auf eine längerdauernde Zusammenarbeit mit künftigen gemeinsamen Projekten von großer Bedeutung.

Zusammenarbeit vor Ort zwischen Verwaltung, Politik, Zivilgesellschaft und weiteren Akteuren

Übereinstimmend berichteten die Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Verwaltungen von Personalengpässen aufgrund der gewachsenen Aufgaben im Bereich der Ukraine-Hilfe, insbesondere dort, wo Städtepartnerschaftsarbeit für eine Verwaltungsstelle nur ein Aufgabenbereich unter mehreren ist. Oft werden daher derzeit andere Aktivitäten zurückgestellt, teilweise werden Personalstellen aufgestockt oder neue eingerichtet – soweit es der städtische Haushalt erlaubt. Dies ist insbesondere für Haushaltssicherungskommunen schwierig.

In manchen Städten besteht eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen einem oder mehreren zivilgesellschaftlichen Vereinen sowie der Verwaltung, was die Verwaltungsseite erheblich entlasten kann. Oft gibt es eine enge Einbindung und ein Engagement der Feuerwehr, was aufgrund ihrer besonderen beruflichen Expertise besonders wertvoll ist. Vielerorts baut das private Engagement der Zivilgesellschaft auf persönliche Verbindungen mit der Ukraine auf.

Eine Bündelung des zivilgesellschaftlichen Engagements wird von der Verwaltung als sehr hilfreich empfunden. Daher sind in verschiedenen Kommunen bereits Vereine für die Ukraine-Hilfe gegründet worden oder befinden sich derzeit in Gründung.

Wiederaufbau: eine langfristige Aufgabe, die längst begonnen hat

Vielfach wurde während des Austauschs deutlich, dass der Wiederaufbau in der Ukraine längst begonnen hat, auch wenn oft zunächst provisorische Reparaturen vorgenommen werden, da die Angriffe weitergehen. Das Ziel ist, den Menschen vor Ort einen möglichst normalen Alltag zu ermöglichen, und auch sicherzustellen, dass eine Rückkehr Geflüchteter möglich ist. Die Bedarfe in den Partnerkommunen sind jedoch teilweise sehr unterschiedlich, oft mit Blick auf die geographische Lage der jeweiligen Partnergemeinde, ob in Frontnähe oder nicht.

  • Etwa werden Busse für den Linienverkehr innerhalb der Ukraine benötigt, um dort einen einigermaßen normalen Verkehrsbetrieb zu ermöglichen
  • LKW werden benötigt zur Verteilung der Materialien aus Spendenlagern
  • Je nach Lage werden Transporter für Verletzte benötigt
  • Des Weiteren werden weiter vielfach benötigt: Generatoren, Wasserreinigungsanlagen, Feuerwehrfahrzeuge; medizinisches Zubehör, Lebensmittelkonserven, aber auch in bestimmten Fällen weiterhin Kleidung – etwa für Krankenhäuser, die Verletzte und Verwundete einkleiden müssen.

Mehrfach wurde berichtet, dass es den ukrainischen Partnern oft schwerzufallen scheine, ihre konkreten Bedarfe an die deutschen Partner weiterzugeben. Als Bittsteller wahrgenommen zu werden, sei vielen unangenehm. Dementsprechend wichtig sei daher zielgerichtetes und regelmäßiges Nachfragen, etwa in wöchentlichen Videokonferenzen, wie dies eine Reihe von Kommunen bereits praktiziert.

Zusammenarbeit im Bereich Kultur, Jugend, Bildung und Ausbildung

Mehrere Kommunen haben erste Projekte im Kulturbereich in Angriff genommen – so etwa mit dem Aufbau ukrainischsprachiger Bibliotheken für Geflüchtete vor Ort, mit Veranstaltungen und Projekten im musischen oder kulturellen Bereich, etwa mit Musikschulen oder auch durch Museumspartnerschaften. Kinder- und Erholungscamps für die Sommermonate sind in Vorbereitung, und auch Schulpartnerschaften werden geschlossen. Insbesondere das hoch anerkannte deutsche Duale Bildungssystem stößt in der Ukraine auf großes Interesse, mancherorts umfasst die Zusammenarbeit mit örtlichen und regionalen Unternehmen über Geld- und Sachspenden hinaus bereits oder künftig auch Praktikantenaustausche.

Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft, Universitäten, Medizin…  

Wo besonderes Fachwissen vorhanden ist, etwa in Universitäten, Fachhochschulen oder anderen besonderen Stellen, werden diese Institutionen von manchen Städten ganz gezielt für die Zusammenarbeit genutzt, etwa Kooperationen im medizinischen Bereich, insbesondere im psychologischen und psychotraumatischen Bereich, oder auch im Bereich Rehabilitation von Kriegsverletzten.

Zusammenarbeit mit anderen Partnerstädten

Weitere Diskussion bezog sich auf die Einbeziehung der eigenen Partnerstädte etwa bei der Organisation von Hilfslieferungen. Hier besteht insbesondere mit den polnischen Partnerstädten vielerorts bereits eine sehr enge und gute Zusammenarbeit. Besonders interessant und zielführend bei der Wiederherstellung städtischer Dienste im Bereich der Daseinsvorsorge kann die Einbindung kommunaler Unternehmen, etwa im Bereich Wasser- und Abwasserinfrastruktur, Abfallwirtschaft, Energie und Mobilität sein. Hier ergeben sich allerdings u.a. Fragen der Stellung kommunaler Unternehmen und inwiefern sie international aktiv werden können.

Vor allem wurde aus der Diskussion deutlich und von verschiedener Seite mehrfach betont, wie notwendig die Unterstützung der in der Ukraine-Hilfe engagierten deutschen Kommunen durch die übergeordneten Ebenen ist, um ihnen die Ressourcen zu verschaffen, die eine Unterstützung der ukrainischen Partner – zusätzlich zu den zahlreichen kommunalen Pflichtaufgaben – erst möglich machen.

Nach einem gemeinsamen Mittagsimbiss, der weitere Gelegenheit für den Austausch bot, folgte ein Impulsvortrag zum Stand der Dezentralisierungsreform in der Ukraine und der Verfasstheit der Gebietskörperschaften.

Impulsvortrag (digital), Dr. Helge Arends, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Teamleitung U-Lead with Europe
–> Präsentation
–> Kurzüberblick zur lokalen Selbstverwaltung in der Ukraine

Nach einer Fragerunde zum Vortrag sowie einer Feedbackrunde endete die Veranstaltung.


Kurzzusammenfassung der Virtuellen Konferenz für Kommunen aus Nordrhein-Westfalen und Dnipropetrowsk am 20. April 2023, zu welcher der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei in Kooperation mit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global eingeladen hatte.

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Die Festigung der Städtepartnerschaften in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Kommunen und Zivilgesellschaft steht im Mittelpunkt unseres Projekts.

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