Interview mit Honorarkonsul Holger-Michael Arndt

Im Süden liegt jetzt der Norden  – Es tut sich was auf dem Balkan                                                                

Europäische Betrachtungen in einem Interview mit Holger-Michael Arndt, Honorarkonsul der Republik Nordmazedonien in Düsseldorf


Seit mehr als 10 Jahren sind Sie Honorarkonsul. Wo sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?

Hand aufs Herz, wir wissen in Deutschland erst einmal wenig über diesen so bunten und kulturreichen Binnenstaat.  Über unseren Staat zu informieren ist eine wichtige Aufgabe.

Nordmazedonien grenzt im Norden an Serbien und Kosovo, im Osten an Bulgarien, im Süden an Griechenland und im Westen an Albanien. Nordmazedonien war die südlichste Teilrepublik Jugoslawiens und rief 1991 die Unabhängigkeit unter dem damaligen Namen „Republik Mazedonien“ aus, die mit friedlichen Mitteln erreicht werden konnte. Das Land blieb von den kriegerischen Auseinandersetzungen im Zuge des Zusammenbruchs der jugoslawischen Föderation vollkommen verschont. Unter Premierminister Zoran Zaev konnten außenpolitische Herausforderungen mit dem Nachbarstaat Griechenland gelöst werden, um damit den Weg in die NATO und in einem weiteren Schritt in die EU zu ermöglichen.

Zoran Zaev uns Alexis Tsipras haben dafür im Jahr 2020 den Westfälischen Friedenspreis in Münster erhalten.

Leider bestehen Schwierigkeiten mit Bulgarien, die eine weitere Integration in die EU derzeit erschweren. Hier gibt es allerdings positive Zeichen der Entspannung mit dem neuen bulgarischen Premierminister Petkov, der einen Dialog mit Nordmazedonien in vielen wichtigen Bereichen sucht, wie z.B. der Wirtschaft, der Infrastruktur, der kulturellen Zusammenarbeit usw. Die strittigen Themen, die die Geschichte beider Länder betreffen, werden weiterhin behandelt, allerdings stellen sie mit der neuen bulgarischen Regierung nur einen Teilbereich dar. Ein besonders positives Zeichen ist sicherlich die Einführung der Fluglinie zwischen Skopje und Sofia.

Es geht also voran in Nordmazedonien?

Auf jeden Fall. Nachdem Griechenland sein Veto zum NATO-Beitritt Nordmazedoniens aufhob, wurde im Februar 2019 ein Protokoll über die Aufnahme Nordmazedoniens unterschrieben, das in der Folge von allen NATO-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Am 27. März 2020 trat Nordmazedonien offiziell der NATO bei. Gerade in diesen Tagen merken wir, wie wichtig es ist, Teil der Verteidigungsgemeinschaft zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen.

Auch in Richtung EU?

Auch die Anstrengungen in Richtung Beitritt der EU gehen selbstverständlich weiter, wenn gleich sich immer neue Hürden zeigen, die von außen an Nordmazedonien herangetragen werden. Die positive Bewertung Nordmazedoniens seitens der Europäischen Union ist sicher auch ein Erfolg der Unterstützungen durch die Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit 2021 ist Nordmazedonien offizielles Partnerland Nordrhein-Westfalens. Dafür sind wir sehr dankbar und freuen uns auf die nächsten Schritte der Kooperation.

Wie steht es mit der Innenpolitik? Es war oft etwas turbulent. Die Stimmung ist zuversichtlich?

Auf jeden Fall. Das neue Sprachengesetz definiert die albanische Sprache als zweite Amtssprache im gesamten Staatsgebiet, womit auf Forderungen der albanischen Gemeinschaft eingegangen wurde.

Die albanische Gemeinschaft ist die zweitgrößte ethnische Gruppe im Land. Daneben gibt es noch weitere Gemeinschaften, wie z.B. die türkische, die Gemeinschaft der Roma, der Serben, Aromunen usw. Die Sprachen dieser Gemeinschaften sind aber nur auf kommunaler Ebene offizielle Amtssprachen.

Mit internationaler Unterstützung wurde eine Sonderstaatsanwaltschaft zu möglichen Korruptionsstraftaten der Vorgängerregierung gebildet. Mittlerweile ist diese in die bestehende Staatsanwaltschaft eingegliedert worden und arbeitet erfolgreich. Im letzten Bericht von Transparency International wurden die Erfolge der Justiz auf dem Gebiet der Bekämpfung der Korruption sehr positiv bewertet.

Wie stellt sich die ökonomische Situation für die Menschen in Ihrem Land dar?

Nordmazedonien war in Jugoslawien eine der ärmeren Republiken, während die nördlichen Teilstaaten zu den wohlhabenden Republiken gehört haben. Die mazedonische Wirtschaft zur Zeit des jugoslawischen Sozialismus war als Zulieferindustrie für die größeren jugoslawischen Unternehmen ausgerichtet. Eigene Wirtschaftszweige gab es v.a. in der Textilindustrie, chemischen Industrie, Nahrungsmittelindustrie, Automobilzulieferindustrie usw. Dominant war in der Vergangenheit und ist auch heute noch die Landwirtschaft. Das Land leidet heute unter den typischen Problemen eines postsozialistischen Staates. Wichtige Exportländer sind insbesondere Deutschland, Serbien und Bulgarien. Die Hauptexportprodukte sind Nahrungsmittel, Wein, Tabak sowie Eisen und Stahl. Den größten Anteil am Import von Gütern nach Nordmazedonien haben Deutschland, Großbritannien, Serbien, Griechenland, China, Italien und die Türkei. Hierbei geht es v.a. um Metalle, Nahrungsmittel, Textilien und Bekleidung sowie Elektrotechnik.

Aber dennoch ist die Lage keinesfalls aussichtslos. In den letzten Monaten hat sich Nordmazedonien zum Shooting-Star unter den Kandidatenstaaten entwickelt. Wenn die Balkanrepublik das Tempo der Veränderungen halten kann und den Fokus nunmehr auf Fragen der Innenpolitik nimmt, dann hat Nordmazedonien gute Aussichten der 28. Mitgliedstaat der Europäischen Union zu werden.

Was ist das Besondere an Nordmazedonien?

Nordmazedonien ist ein wahrhaft multikulturelles Land, in dem es mehrere ethnische Gruppen gibt. Neben dem zahlenmäßig größten Ethnikum der Mazedonier*innen, gibt es weitere ethnische Gemeinschaften. Diese verfügen über weitreichende Rechte, wie z.B. die Vertretung im Parlament, in der Regierung, besondere Rechte, die in der Verfassung verankert sind. Das Rahmenabkommen von Ohrid aus dem Jahr 2001 garantiert hier die Rechte der ethnischen Gemeinschaften, wodurch es zu weitreichenden Verfassungsänderungen kam. Die Regierung setzt die Bestimmungen dieses Abkommens im Rahmen von strategischen Planungen regelkonform um und achtet hier insbesondere auf die angemessene Repräsentation aller ethnischen Gemeinschaften in der staatlichen Verwaltung.

Welche Wünsche haben Sie persönlich?

Ich wünsche mir sehr, dass sich die Menschen aus Nordmazedonien und Nordrhein-Westfalen intensiver begegnen können. In einem Europa, das weiter zusammenwachsen muss, ist der persönliche Austausch immens wichtig. Noch gibt es keine Städtepartnerschaft zwischen einer Gemeinde in Nordmazedonien und Nordrhein-Westfalen. Es wäre schön, wenn sich das ändern lassen könnte.  Ich unterstütze hierbei sehr gerne. Ebenso wäre eine Partnerschaft zweier Schulen ein großer Wunsch von mir. In Nordrhein-Westfalen leben zudem viele Menschen aus Nordmazedonien. Gehen Sie aufeinander zu und lernen Sie sich kennen.

Herr Arndt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Foto: Holger-Michael Arndt

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