‚And Now for Something Completely Different‘ – britischer (schwarzer) Humor trotz Brexit?

Milch wird in Teetasse gegossen

Wenn ich gefragt werde, was ich an ‚den Briten‘ besonders mag, ist eine Eigenschaft der Humor. Es ist eine Art Humor, den einige Deutsche vielleicht nicht verstehen, aber andere umso mehr lieben. Die Überschrift ist 1971 auch ein Filmtitel der britischen Sketch-Comedy-Truppe Monty Python. Erscheint mir passend nach mehreren ernsthaften Beiträgen zum Fortschritt (oder Nicht-Fortschritt) der Verhandlungen zwischen der EU und UK. Deshalb etwas komplett anderes über eine britische Eigenart, selbst wenn wir demnächst vermutlich wenig zu lachen haben. Viele von uns werden ihre Vorliebe für die Insel behalten, gerade weil sie dort so herrlich anders sind.

Es ist schwer, nicht in Klischees zu verfallen, sodass ich nur einige sehr subjektive Eindrücke gebe. Vielleicht finden sich aber manche darin wieder und entdecken Eigenschaften, die sie an Briten wertschätzen.

‚Very funny‘ – der tote Papagei, das Wetter und Spielregeln

Der sehr andere Humor zeigt uns manchmal mit Selbstironie, sich nicht so ernst zu nehmen, wie es viele Deutsche so gerne tun.

In einem Universitäts-Blog fand ich den Gedanken, dass der berühmte britische Sinn für Humor vielleicht auch verhindern könne, dass große Teile der Bevölkerung der Depression verfallen, angesichts der chaotischen Herangehensweise der damaligen Regierung.

Zu Beginn meiner Zeit in England las ich ein zuerst 1946 veröffentlichtes Büchlein von George Mikes „How to be an Alien“. Er war gebürtiger Ungar, der den Briten (besonders Engländern) einen Spiegel vorhielt und erwartete, dass diese beleidigt oder wütend waren. Im Gegenteil, der Mehrheit gefiel es und man lobte ihn, weil viele eben einen Sinn für Humor hatten und sich wiedererkannten. Selbst wenn sich seither einiges verändert hat, ich erinnere mich an Sprüche wie: ‚Auf dem Kontinent haben Leute gutes Essen; in England haben sie gute Tischmanieren.‘

Wenn ein Brite eine Bemerkung über das Wetter macht, etwa ‚Ich habe gehört, es schneit in Deutschland‘, geht es nicht um eine meteorologische Feststellung, sondern um den Konversationsauftakt. Ein britischer Freund sagte, manche wollten den Akzent des Gegenübers hören, um die Klassenzugehörigkeit einzuschätzen. Mit Sicherheit will der Frager nicht von einem Deutschen hören, dass es Schnee gibt, weil Regen bei null Grad gefriert.

Mit britischem Sinn für Humor verzieh man der kroatischen Botschafterin bei der EU den Übersetzungsausrutscher in ihrer Verabschiedung vom britischen Gegenüber im Februar 2020. Anstatt ‚Alles Gute‘, oder ‚Viel Glück‘ sagte sie ‚Good riddance!‘, was so viel bedeutet wie ‚Ein Glück, dass ich Sie los bin!‘.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass natürlich nicht alle Briten einen Sinn für Humor haben. Bei einem sehr englischen Abendessen saß ich in einer sozial passend abgestimmten ‚bunten Reihe‘, abwechselnd Mann neben Frau, und übte mich in (leicht ermüdender) Konversation mit einem aufgeblasenen, lauten Herrn der oberen britischen Gesellschaftsschicht. Er meinte, er liebe es, neben einer Frau zu sitzen. Ich bemerkte freundlich: „Me too“.

Vielleicht verstand er den Hinweis nicht, an manchen Oberschicht-Nachfahren geht der Humor vorbei, oder er nahm an, dass ich als Deutsche das Prinzip der ‚bunten Reihe‘ nicht kannte, oder er hielt es für undenkbar, dass eine Deutsche britische Methoden der subtilen Kritik verwendete. Jedenfalls beendeten wir höflich unseren Smalltalk, und der Abend war für mich sehr viel erträglicher.

Vermutlich kennen einige den Sketch von Monty Python über den toten Papagei, den ein Käufer ins Tiergeschäft zurückbringt, um sein Geld zurückzubekommen. Er will den Verkäufer überzeugen, dass der ihm einen toten Vogel verkauft hat, leicht erkennbar daran, dass er nicht nur bewegungslos, sondern zudem auf der Sitzstange festgenagelt ist. Die unerschütterlichen Erklärungen des Verkäufers, der Vogel sei nicht tot, sondern ruhe sich nur aus, verzehre sich nach seiner Heimat Norwegen oder sei verschreckt, sind mir bei politischen Debatten eingefallen. Der Verkäufer wäre übrigens in Wirklichkeit lieber ganz woanders.

‚Don’t try so hard‘ und ‚We’ll miss you‘ 

Gebt uns weiterhin so wundervollen (schwarzen) Humor, wie die Unterhaltung im Pub zwischen zwei Engländern: Einer sagt, dass die Deutschen den Krieg gewonnen hätten, während der andere meint, die Briten hätten aber gewonnen, worauf der erste schließt ‚In the long run, the Germans won‘, denn irgendwie haben die Deutschen doch auf lange Sicht gewonnen, oder? Ein Rat an Deutsche von einer, die immer zwischen den Stühlen sitzt: Versucht nicht, euch zu viel anzupassen oder zu viel zu lieben. George Mikes schrieb über einen ‚naturalisierten‘ Briten. Der wollte sich nach Erhalt der britischen Staatsangehörigkeit besonders ‚britisch‘ zeigen. Er fragte entrüstet zum Abschuss eines britischen Flugzeugs, ob man wirklich ‚eines von unseren‘ abgeschossen hätte.

Die Dame des Hauses antwortete eisig, ‚Nein, eins von unseren‘. Man kann zwar (auf dem Papier) britisch werden, aber niemals englisch. ‚Naturalisiert‘ bedeutet, dass jemand ohne britische Staatsbürgerschaft sich in einem ‚unnatürlichen‘ Zustand befindet.

Vor und nach dem Brexit-Entscheid gab es Liebesbekundungen von deutscher Seite, etwa Kampagnen wie „Hug a Brit“, bei der man Briten umarmen sollte, um ihnen zu zeigen, wie sehr man sie mochte. Viele wollten aber keine emotional überwältigten wildfremden Deutschen, die einen auf der Straße quasi ansprangen. Oder es gab die Titelseite des Spiegels „Bitte geht nicht!“, aber man wollte keine Einmischung ausländischer Presse bei ‚inner-britischen Angelegenheiten‘.

Auch gut gemeinte Appelle aus Deutschland hatten wenig Effekt, denn die innenpolitische Maschinerie und jahrzehntelange britische Medienberichterstattung über die EU lagen außerhalb externer Einflussnahme.

Viel wichtiger war aber ein fundamentaler Grund, den viele Deutsche nicht verstehen: Wir lieben die Briten mehr als umgekehrt, das macht aber nichts. Nur könnten wir es öffentlich etwas runterfahren.

Schild mit der Aufschrift Take it easy

Ich werde sie vermissen, die für viele Deutsche völlig unverständlichen, skurrilen Brexit-Gefechte im britischen Unterhaus, von denen ich einige glücklicherweise kommentieren durfte. Trotz aller ernsthaften Inhalte lache ich immer noch, wenn ich an den Ausruf eines entgeisterten TV-Moderators denke, „Was machen die da!?“. Ich werde den täglichen Wahnsinn vermissen, gegen den Monty Pythons Ministerium für alberne Gehweisen („Ministry of Silly Walks“) gar nicht mehr so absurd wirkt. Wer den Python-Sketch „Upper Class Twit of the Year“ (Oberklasse-Depp des Jahres) kennt, fragt sich, ob bei einigen der Wettkampf stattfindet, einen Hindernisparcours zu bezwingen mit herausfordernden Disziplinen wie ‚geradeaus gehen‘. Der Gewinner ist derjenige, der sich in den Kopf schießt, und Einige erreichen das Ziel nicht, weil sie sich mit dem eigenen Auto überrollen.

Wenn wir John Cleese, den Mann im schwarzen Anzug, am Schreibtisch sehen, der in den absurdesten Situationen versucht, ernsthafte Kommentare zu machen und beginnt mit: ‚And now for something completely different‘, weiß man, dass wieder eine neue Verrücktheit kommt.

(Schwarzer) Humor trotz Brexit?

Unbedingt, Humor hilft.

Nachdenklich macht nur eine Bemerkung zum britischen Humor in der Financial Times. Es ist ein Problem, wenn man nichts wirklich ernst nimmt und ernsthaften Ereignissen nicht die Behandlung zukommen lässt, die sie verdienen. Denn wenn man nichts ernst nimmt, bedeutet das, am Ende zählt es nicht, und der Humor bedeutet eine Flucht vor der Realität, der man sich aber am Ende stellen muss.

Ich trinke meinen schwarzen Tee schon seit Jahrzehnten mit Milch und werde das auch weiter tun, wie in England gelernt. Sehr europäisch-deutsch bin ich allerdings, wenn es um Brexit-Realitäten geht. Die Irish Post veröffentlichte Brexit-Witze wie: ‚Ein Engländer, ein Ire und ein Schotte gehen in einen Pub. Aber der Engländer will wieder gehen, also müssen alle gehen.‘ Angesichts der Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands wird der Witz eventuell umgeschrieben.

Mit einer eigenen Erfahrung möchte ich schließen, einem Flug mit British Airways, ein sehr stürmischer Anflug und stürmische Landung in einem Februar, letztes heftiges Gehopse des Flugzeugs auf dem Rollfeld, alle im Flugzeug klatschten zur gelungenen Landung. Mein britischer Sitznachbar drehte sich zu mir und sagte freundlich ‚Bit bumpy‘, also ‚Etwas holprig‘, sonst nichts. Dies wäre vermutlich für die meisten Passagiere, zumindest die nicht-britischen, die in Panik waren und über ihr nicht gemachtes Testament nachgedacht hatten, eine leichte Untertreibung gewesen. Das ‚Understatement‘, eine andere liebenswerte britische Eigenschaft, vergesse ich nie, und ich antwortete dem Briten neben mir ebenso freundlich ‚Indeed‘, ‚In der Tat‘. Mit niemand anderem würde ich einen Flugzeugabsturz lieber erleben als mit dem Briten neben mir, denn um mit Monty Python zu schließen „Always look on the bright side of life…“ (or death).

Bilder: Unsplash.

Dr. Sigrid Fretlöh bloggt für die Geschäftsstelle Städtepartnerschaften.

Dr. Sigrid Fretlöh ist selbstständige EU-Referentin, Consultant, Dozentin und Autorin, Mitglied im Team Europe Rednerpool der Europäischen Kommission. Sie arbeitet auch als EU-Großbritannien-Expertin für TV- und Radio-Sender. Seit Studienaufenthalt und 16 Jahren Arbeit in Großbritannien, u.a. im Sprecherprogramm der Deutschen Botschaft London, unterstützt sie persönlichen und beruflichen britischen Austausch, u.a. in ihrem eigenen Blog.

Kontakt: fretloeh@expert-eu-uk-de.net

Veröffentlicht von Netzwerkstelle Städtepartnerschaften

Netzwerkstelle Städtepartnerschaften | Auslandsgesellschaft.de e.V.

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