Jugend in der Städtepartnerschaftsarbeit

Cihat Sengül war mehrere Jahre Vorsitzender des Kinder- und Jugendparlaments (KiJuPa) in Waltrop und bis Sommer 2022 als Sprecher im Kinder- und Jugendrat NRW vertreten.
Mittlerweile engagiert er sich dort im Ältestenrat und seit einiger Zeit zudem verstärkt in den Städtepartnerschaften seiner Heimatstadt Waltrop sowie Castrop-Rauxel.
Herr Sengül, was macht eigentlich ein KiJuPa, und was der Kinder- und Jugendrat NRW?
Grob gesagt ist das KiJuPa eine gewählte Interessenvertretung von jungen Menschen.
Es mischt bei jugendrelevanten Themen mit, ist in Waltrop auch in den kommunalen
Ausschüssen und Arbeitskreisen vertreten und steht somit im engen Austausch mit
Politikerinnen und Politiker. Des weiteren trägt das Gremium durch Veranstaltungen
und Aktionen zur politischen Bildung von jungen Leuten bei.
Der Kinder- und Jugendrat NRW hingegen stellt den Dachverband von über 50
Jugendbeteiligungsgremien aus ganz Nordrhein-Westfalen dar. Der Dachverband
fungiert zum einen als Vernetzungsplattform für die Mitgliedsgremien, zum anderen
als Sprachrohr der Jugendlichen auf Landesebene. Außerdem ist es uns möglich,
unsere Standpunkte bei Anhörungen im Landtag kundzutun.
Wie sind Sie auf das Thema Städtepartnerschaften gestoßen und was interessiert Sie daran?
Lange Zeit hat sich meine politische Arbeit auf das Thema der Kinder- und
Jugendbeteiligung und die Stärkung des Ehrenamtes beschränkt. Auf das Thema
Städtepartnerschaften bin ich verhältnismäßig spät gestoßen. Ich finde, dass
Städtepartnerschaften ein enormes Potenzial haben, den Dialog zwischen
unterschiedlichen Kulturen voranzutreiben und Vorurteile abzubauen. Es geht
darum, die Gemeinsamkeiten herauszustellen und nicht auf Unterschiede zu
beharren. Da möchte ich mich in der kommenden Zeit gerne verstärkt einbringen.
Ihre Heimatstadt Waltrop und das benachbarte Castrop-Rauxel haben beide eine
türkische Partnerkommune. Welche Rolle spielt es bei Ihrem Engagement, dass Ihre eigenen Wurzeln in der Türkei liegen?
Aufgrund meiner persönlichen Biografie war ich schon immer am Austausch zwischen
verschiedenen Kulturen interessiert. 1961 wurde das Anwerbeabkommen zwischen
Deutschland und der Türkei geschlossen. In dem Zuge kamen auch viele sogenannte
„Gastarbeiter“ auch ins Ruhrgebiet. So ging es auch meinem Opa der vor 52 Jahren
als Gastarbeiter nach Deutschland kam und hier lange Zeit unter Tage „malocht“ hat.
In den vergangenen Jahrzehnten hatte meiner Meinung nach, der Austausch
zwischen den Menschen beider Länder im politischen und gesellschaftlichen Diskurs
einen eher unterordneten Stellenwert. In diesen Zusammenhang sollten die
Herausforderungen auf nationaler Ebene keine Rolle spielen. Im Kern geht es darum,
die Menschen in den einzelnen Kommunen zusammenzubringen.
Aufgrund der Tatsache, dass ich sowohl die deutsche als auch die türkische
Perspektive kenne, kann ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede
herauskristallisieren und zum gegenseitigen Dialog beitragen. Man wird auch von
vielen als Multiplikator und Ansprechpartner gesehen.
Kinder- und Jugendräte gibt es mittlerweile immer mehr in NRW. Welches Interesse haben die Jugendlichen daran, sich in die internationale Partnerschaftsarbeit ihrer Kommune einzubringen?
Obwohl die internationale Partnerschaftsarbeit nicht in der Kernkompetenz von
Kinder- und Jugendräten liegt, gibt es bei den Mitgliederinnen und Mitgliedern eine
zunehmende Bereitschaft für internationale Themen und Austausche. In unserer
globalisierten Welt haben junge Menschen längst erkannt, dass viele
Herausforderungen und auch Chancen nur global angegangen werden können.
Deshalb nimmt die Bedeutung von Erfahrungsaustauschen zwischen Kinder- und
Jugendgremien aus verschiedenen Ländern zu. In dem Kontext sind Formate wie die Deutsch-Türkische Jugendbrücke, das Deutsch-Französische Jugendwerk oder der Jugendgipfel im Weimarer Dreieck zu nennen.
Im Laufe der Jahre hat ebenfalls der Anteil von Jugendlichen mit interkulturellem
Hintergrund in Kinder- und Jugendräten zugenommen, wodurch ein stärkerer
Perspektivenwechsel in internationaler Partnerschaftsarbeit herbeigeführt werden
kann.
Welchen Tipp würden Sie den Mitarbeitenden in den Verwaltungen und den
Ehrenamtlichen in den Partnerschaftsvereinen geben, um junge Menschen für
Städtepartnerschaften zu begeistern?
Ich denke, dass man da vermehrt auf niedrigschwellige Angebote setzen und
Formate schaffen muss, welche die jungen Generationen ansprechen. Beispielsweise kann man da auf Aktionen setzen, welche thematisch interessant sind, um an Städtepartnerschaften heranzuführen. Man darf dabei auch die Kommunikation im digitalen Raum nicht vernachlässigen. In unserer Gegenwart kann man durch den klugen Einsatz von sozialen Medien große Reichweiten generieren und auf relevante Inhalte aufmerksam machen.
Welche Zukunftspläne haben Sie für die Städtepartnerschaften von Waltrop?
Im ersten Schritt finde ich es wichtig, die bestehenden Partnerschaften wieder mit
Leben zu füllen und Austausche zwischen den Städten zu intensivieren. In diesem
Kontext möchte ich gerne dazu beitragen, dass wir attraktive Möglichkeiten schaffen und dadurch mehr Menschen für die Städtepartnerschaften begeistern.
Die Partnerschaften bieten große Chancen, welche es gilt in Vordergrund zu rücken. Ich denke aber, dass wir da auf einem guten Weg sind und möchte jeden dazu ermutigen, weiterzumachen!
Herr Sengül, vielen Dank für das Interview!
Interview: Beate Brockmann
Über uns
Die Festigung der Städtepartnerschaften in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Kommunen und Zivilgesellschaft steht im Mittelpunkt unseres Projekts.