“Resilienz in Krisenzeiten:
Was wir für uns und für andere in akuten Stresssituationen tun können.”
Im Projekt „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW-Ukraine“ bietet die Netzwerkstelle Städtepartnerschaften der Auslandsgesellschaft.de e.V. engagierten Kommunen und Kreisen in NRW eine Plattform zu Austausch und Vernetzung bei ihrer Ukraine-Hilfe. Dabei wechseln sich die Formate „Fachaustausch“ und „Kollegialer Austausch“ monatlich ab.
Der zweite Fachaustausch widmete sich, auf mehrfachen Wunsch aus den Kommunen und Kreisen hin, dem Thema Resilienz. Mitarbeitende in Kommunal- und Kreisverwaltungen erleben in Ihrem Arbeitsalltag seit über einem Jahr die Konfrontation mit der Kriegssituation in der Ukraine. Da sind zum einen die Begegnungen mit Schicksalen kriegsbetroffener Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Zum anderen die Organisation bzw. Unterstützung von Hilfslieferungen in die betroffenen Gebiete. Vielfach kann ein Gefühl der Frustration über das Nicht-immer oder Nicht-genug-helfen-Können, der Eindruck einer Überforderung angesichts der großen Herausforderungen entstehen. Um dieser belastenden Situation gesund standhalten zu können, ist die Förderung der eigenen Resilienz ein wichtiger Baustein.
Was genau ist Resilienz, und wie kann man sie im Alltag stärken? Wie helfen wir uns selbst, aber auch, was können wir daraus lernen für den Umgang mit anderen Menschen, die Traumata erlitten haben? Und was bedeutet Resilienz auf einer gesellschaftlichen Ebene?
Zu diesen Fragen vermittelte Philipp Jann, Psychologe (M.Sc.), Notfallpsychologe (BDP), sowie Promotionsstipendiat an der Universität Bielefeld zum Themengebiet „Trauma- und Trauerstörung nach traumatischen Verlusten“ einen hilfreichen Gesamtüberblick, zielgerichtete Einblicke und pragmatische Tipps für akute Notsituationen ebenso wie für langanhaltende Stressperioden. Seine eigenen Erfahrungen aus dem Berufsalltag brachte er dabei sehr einfühlsam ein.
Eigene Resilienz und Psychohygiene
Nach einer Einführung und Begriffsdefinition ging es zunächst um die Stärkung der eigenen Resilienz, und praktische Strategien dazu. So kann man etwa körperlichen und seelischen Reaktionen auf Bedrohungen und Stressfaktoren mit Atem- oder Entspannungsübungen, Ablenkungstechniken, Achtsamkeit und dem bewussten Umgang mit seinen Gefühlen begegnen und dadurch von einer passiven in eine aktive Rolle hineinfinden. Weiterführende Links und praktische Tipps finden sich in der Präsentation und im Handout. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Erleben und die Stärkung der eigenen Resilienz ist zentral und Voraussetzung dafür, dass man auch anderen gezielt und auf lange Sicht helfen kann, ohne selbst auszubrennen. Hilfreich dabei sind eine Reihe von Faktoren wie Unterstützung durch ein soziales Netz, Werteorientierung, Optimismus und das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit.
Resilienz kriegsbetroffener Menschen
Im Umgang mit anderen Menschen, die gestresst sind oder traumatische Erfahrungen machen mussten, kann man eine wichtige Rolle als „Leuchtturm“ einnehmen, in dem man diesen Menschen Orientierung, Sicherheit und Ruhe bietet, ein Gefühl der Verbundenheit und Hoffnung fördert, und sie dabei unterstützt, ihre Selbstwirksamkeit allein und vereint mit anderen Menschen zu erfahren. Helfen bei der Bewältigung traumatischer Ereignisse kann die aktive Auseinandersetzung durch das Davon-Erzählen, Darüber-Schreiben oder durch andere Arten kreativer Beschäftigung damit. Zuhören und gemeinsame Rituale können Betroffene unterstützen. Für akute Notfälle aber gilt, sich professionelle Hilfe bei medizinischen und/oder psychiatrischen Notdiensten zu holen. Hinweise insbesondere auch zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen aus Kriegsgebieten finden sich in der Präsentation und im Handout. Von posttraumatischen Wachstum – einem bislang umstrittenen Konzept – wird gesprochen, wenn die erfolgreiche Auseinandersetzung mit Trauma(ta) zu einer positiven Entwicklung führt, also etwa die persönliche Stärke, die Qualität der eigenen sozialen Beziehungen, oder die Wertschätzung für das Leben dadurch zunimmt.
Resilienz einer Gesellschaft
Schließlich blickte Jann auch auf Faktoren, die es einer Gesellschaft erlauben, Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. So fällt etwa auf, dass die Menschen in der Ukraine in besonderer Weise zusammenhalten, Selbsthilfegruppen gründen, Spendenaktionen organisieren und sich auf kreative Weise auf ihre erschwerten Lebensumstände einstellen und sich an sie anpassen. Kultur, Sprache und Traditionen helfen bei der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls ebenso wie das Erleben der internationalen Solidarität. Zukunftsorientierung zeigt sich etwa im großen Stellenwert, den Bildung für die Ukraine trotz der Kriegssituation weiterhin genießt, sowie im politischen und gesellschaftlichen Engagement der ukrainischen Bürger*innen im In- und Ausland.
Nach dem eindrücklichen und inhaltlich reichen Vortrag waren sich die Teilnehmenden in der Feedbackrunde einig darin, dass Resilienz ein großes und wichtiges Thema sei, und die Auseinandersetzung mit ihren zahlreichen Aspekten sehr lohnenswert. So wird der Austausch miteinander zu den gemeinsamen Themen als bereichernd und hilfreich gesehen.
Resilienz in Krisenzeiten | Philipp Jann | –> Präsentation und –> Handout
Der nächste „Kollegiale Austausch“ im Rahmen des Projekts „Reallabor Kommunaler Aufbaupartnerschaften NRW-Ukraine“ findet am 19. September statt.
Über uns
Die Festigung der Städtepartnerschaften in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Kommunen und Zivilgesellschaft steht im Mittelpunkt unseres Projekts.