Stadt Oberhausen und Stadt Hürth
Städtepartnerschaften bieten umfassende Möglichkeiten bei der Unterstützung der Ukraine. Die Städte Oberhausen und Hürth pflegen beide sowohl mit einer ukrainischen als auch einer polnischen Stadt eine Partnerschaft. In vier Fragen beleuchten wir bisher Geleistetes auf lokaler Ebene, derzeitige Herausforderungen und die Beziehungen zur polnischen und ukrainischen Partnerstadt in der aktuellen Lage.

Desbina Kallinikidou
Referentin für Internationale Beziehungen/ Städtepartnerschaften/Europa/Interkultur
der Stadt Oberhausen
Ihre Stadt hat innerhalb kürzester Zeit reagiert und geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufgenommen und Hilfsgüter auf den Weg gebracht. Was war die wichtigste Voraussetzung, um diese Herausforderung meistern zu können?
Die wichtigste Voraussetzung war der Wille, in der Kriegssituation die eigenen Möglichkeiten zu nutzen, um den Menschen in der Partnerstadt Saporishja und den Geflüchteten in Oberhausen zu helfen. Dazu wurden sehr kurzfristig Strukturen genutzt, die sich in den vergangenen zwei Jahren bereits im Umgang mit der Coronakrise bewährt haben : Runder Tisch beim Oberbürgermeister, Einrichtung eines Krisenstabs mit allen Akteuren in der Stadt. Darüber hinaus konnten die Strukturen und Erfahrungen im Umgang mit Geflüchteten aus den Jahren 2014-2016 genutzt werden, wie z.B. Aktivierung des Arbeitskreises « Flucht und Migration », in dem haupt- und ehrenamtlich Aktive der Flüchtlingshilfe zusammenkommen sowie viele weitere Arbeitskreise in unterschiedlichen Arbeitsfeldern.
Welche Rolle spielt Ihre polnische Partnerschaft bei Ihrer Unterstützung für die Ukraine ?
Die Städtepartnerschaft zwischen Oberhausen und Tychy wurde erst im Februar 2020 offiziell besiegelt. Die Coronakrise führte unmittelbar danach zum Aufschub aller geplanten Aktivitäten. Der Austausch fand in digitaler Form statt. Der Krieg in der Ukraine und die engagierte Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten sind eine Aufgabe, die Oberhausen und Tychy verbindet, obwohl eine praktische Zusammenarbeit in diesem Bereich allein aufgrund mangelnder zeitlicher Ressourcen nicht stattfinden konnte. Das Thema steht jedoch auf der Agenda für die kommenden Begegnungen mit der polnischen Partnerstadt.
Wie gestalten sich derzeit Ihre Beziehungen zu Ihrer ukrainischen Partnerstadt ?
Saporishja liegt sehr weit im Osten Ukraine, an der aktuellen Frontlinie. Schon seit 2014 war hier das Thema « Krieg » sehr akut. Aktuell gibt es offizielle Kontakte auf der Oberbürgermeisterebene, auf der Arbeitsebene zwischen Mitarbeitenden aus beiden Städten, um Informationen über die Situation in der ukrainischen Partnerstadt zu erhalten und HIlfe dorthin zu organisieren. Daneben gibt es zahlreiche Kontakte über die Projektzusammenarbeit der letzten Jahre, über jahrzehntelang zahlreiche Schulpartnerschaften und den städtischen Jugendaustausch MULTI sowie in den vergangenen Jahren geleistete humanitäre Arbeit durch den Verein « Oberhausen hilft e.V. ». Außerdem sind 150 – 200 Menschen aus der Partnerstadt nach Oberhausen geflüchtet, unter ihnen auch Projektpartner :innen aus verschiedenen Zusammenhängen, die eine wichtige Brücke in die Partnerstadt bilden.
Was ist derzeit Ihre größte Herausforderung in der Ukraine-Hilfe und welche Unterstützung dazu würden Sie sich wünschen?
Die größte Herausforderung besteht darin, die große Zahl der Geflüchteten angemessen zu versorgen, ohne zu wissen, wie lange der Kriegszustand anhalten wird.
Auf welche aktuelle Initiative Ihrer Stadt sind Sie besonders stolz ?
Besonders stolz sind wir darauf, dass so viele unterschiedliche haupt- und ehrenamtliche Akteure in Oberhausen die Herausforderung gemeinsam annehmen und gut bewältigen. Dabei ist die Einbindung von Geflüchteten zur Stärkung der Selbsthilfe und des Empowerment uns ein besonderes Anliegen.
Tobias Püllen
Leiter des Bürgermeisterbüros der Stadt Hürth

Ihre Stadt hat innerhalb kürzester Zeit reagiert und geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufgenommen und Hilfsgüter auf den Weg gebracht. Was war die wichtigste Voraussetzung, um diese Herausforderung meistern zu können?
Ich möchte gerne die Beantwortung der Frage in zwei Teile segmentieren:
Zunächst möchte ich auf die Aufnahme von Geflüchteten in Hürth eingehen: Die wichtigste Voraussetzung zur Meisterung der Flüchtlingssituation im Kontext mit dem Krieg in der Ukraine war sicherlich die Erfahrungen, die während der Flüchtlingskrise im Jahre 2015 gesammelt wurden. Im Zuge der Flüchtlingskrise im Jahre 2015 wurden bereits Liegenschaften zur Unterbringung mobilisiert und bei uns in der Stadtverwaltung ein Amt für Inklusion, Integration und Flüchtlingshilfe geschaffen, welches die Flüchtlingsaufnahme und Unterbringung u. ä. koordiniert. Hiermit waren bereits wichtige Bedingungen zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlingssituation aus der Ukraine geschaffen. Hierneben ist sicherlich noch der unermüdliche Einsatz vieler Verwaltungsmitarbeiter, ehrenamtlicher Übersetzer und dem Verein „Hürther Brücke der Kulturen e.V.“ zu nennen. Die Hürther Brücke der Kulturen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Ukrainerinnen mit ihren Kindern in Privatwohnungen untergekommen sind, in dem sie Angebote von Hürtherinnen und Hürthern sowie Gesuche von Geflüchteten zusammengebracht hat.
Dass wir als Stadt gemeinsam mit dem Partnerschaftsverein Hürth e.V. bis heute bereits 560 Paletten mit Sachspenden im Warenwert von ca. 650.000 Euro gesammelt, sortiert und verpackt haben, die mit 17 Sattelzügen über unsere polnische Partnerstadt Skawina in die Ukraine transportiert worden sind, ist vor allem drei Faktoren zu verdanken: 1) den rund 350 ehrenamtliche Helfern, die geholfen haben und teilweise bis heute unermüdlich im Einsatz sind, 2) der Firma Talke, ohne die wir die Logistik nicht hätten und 3) dem Partnerschaftsverein unserer Partnerstadt Skawina, der den Umschlag in Polen und die Überführung nach Peremyschljany entscheidend unterstützt.
Welche Rolle spielt Ihre polnische Partnerschaft bei Ihrer Unterstützung für die Ukraine ?
Wie bereits angesprochen, ist unsere Lieferkette nur möglich durch unsere polnische Partnerstadt Skawina. Hier findet der Umschlag auf LKW aus der Ukraine statt, welche dann unmittelbar in unsere ukrainische Partnerstadt fahren. Der Partnerschaftsverein regelt hierbei die Organisation der ukrainischen Fahrer und regelt Zollformalitäten.
Wie gestalten sich derzeit Ihre Beziehungen zu Ihrer ukrainischen Partnerstadt ?
Wir sind im regelmäßigen Austausch mit unseren Freunden aus Peremyschljany. Am Wochenende vom 13. bis zum 15. Mai 2022 haben wir auch mit einer Delegation die Partnerstadt besucht, um wichtige Güter wie etwa ein neues mobiles Röntgengerät, ein Müllfahrzeug und ein Großstromaggregat für das Zentralkrankenhaus unserer Partnerstadt zu übergeben.
Was ist derzeit Ihre größte Herausforderung in der Ukraine-Hilfe und welche Unterstützung dazu würden Sie sich wünschen?
Die größte Herausforderung ist, dass das Interesse zu helfen nachlässt. Insgesamt ist es menschlich, dass alle zu Beginn einer Notsituation helfen wollen, dann aber feststellen, dass das eigene Leben auch weitergehen muss. Viele Spender und Helfer sagen sich „Jetzt können auch mal andere helfen.“ Aber die Bedarfe wachsen mit jedem Tag und es ist enorm wichtig, dass wir jetzt nicht aufhören Sach- und Geldspenden zu sammeln.
Interview: Beate Brockmann
Über uns
Die Festigung der Städtepartnerschaften in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Kommunen und Zivilgesellschaft steht im Mittelpunkt unseres Projekts.